Wonach sehnst du dich?

Es sind bewegte Zeiten…

Bewegung existiert nicht ohne Emotion. Ich bin mir sicher, du hast in den vergangenen Monaten ebenso wie ich die unterschiedlichsten Empfindungen durchlebt und erlebst sie vermutlich auch noch?

Vielleicht sind es Ängste, wie es weiter gehen soll mit dem Job, der eigenen Existenz? Sorgen um deine Gesundheit oder die deiner Lieben? 

Vielleicht auch Wut auf die Regierung wegen all ihrer einschneidenden Maßnahmen, die dich in deiner Selbstbestimmtheit einschränken?

Oder gar Freude darüber, endlich mehr Zeit für dich und die vielen, zuvor nicht ausgelebten Ideen zu haben?

Ich gestehe, dass für mich zumeist die Freude überwog. Und während ich das schreibe, spüre ich einen Anflug von Scham. Angesichts der vielen Menschen in meinem Umfeld, für die die Zeit des Lockdowns aus den unterschiedlichsten Gründen überwiegend anstrengend und beängstigend war. 

Vielleicht kennst du auch diesen Satz: „Eigentlich sollte ich mich (wahlweise: glücklich / traurig / ängstlich/…???) fühlen, doch ich tue es nicht.“ 

Offenkundig machen wir uns bewusst oder unbewusst Gedanken darüber, welches Gefühl für eine Situation wohl angemessen sei und erzeugen uns dann das entsprechende Gefühl dazu.

Doch was ist, wenn das entsprechende Gefühl sich nicht einstellen will? Wer hat dann Recht? Der Verstand, der uns erzählt, was gerade angebracht ist? Oder unsere Empfindungen, die sich entgegengesetzt dazu verhalten?

Dieser vermeintliche Zwiespalt zwischen Kopf und Bauch, Herz und Verstand wurde schon so oft in Kunst, Musik und Literatur thematisiert, dass er inzwischen ein fester Bestandteil der kollektiven Betrachtungsweise unseres Innenlebens ist.

Doch wie wäre es, wenn wir anfingen, unsere Gefühle ebenso wie die Stimme unserer Ratio als gewichtigen Teil unserer Intelligenz zu betrachten? Wenn wir die Botschaften unserer Empfindungen so klar empfingen wie die unseres inneren Dialoges? Und wenn wir all diese Stimmen in einer Art inneren Konferenz zu Wort kommen, sie ohne Widerstand reden ließen? Uns entspannt anhörten, was sie uns sagen wollen, bevor wir eine bewusste (Geistes-)Haltung zur Situation einnehmen? 

Dafür wäre erforderlich, dass wir unsere Vorbehalte gegenüber so unangenehmen Gefühlen wie beispielsweise Angst einmal beiseite schieben. Auch benötigten wir vielleicht eine Art Übersetzungshilfe, um endlich verstehen zu können, was diese Gefühle uns verzweifelt zu sagen versuchen.  

Wusstest du, dass deine Ängste dir folgende Fragen stellen: „Wohin möchtest du dich entwickeln? Wonach sehnst du dich?“ 

Ängste empfinden wir dann, wenn wir mit dem Unbekannten in Berührung kommen. Wenn wir mit dem Unbekannten in Berührung kommen und nicht wissen, ob wir über die notwendigen Ressourcen verfügen für das, was uns erwartet. 

Wenn vorhandene Ressourcen nicht genügen, gilt es, Neues zu entwickeln. Das ist die kreative Kraft von Angst. Wir haben hier in Mitteleuropa mit all unseren Versicherungen und Schutzmaßnahmen regelrechte Angstvermeidungssysteme etabliert, sodass es uns vielfach sehr schwer fällt, Angst zuzulassen und wahrhaftig zu spüren. 

Probieren wir es einmal. 

Angst ist, als würdest du versuchen, das leiseste Geräusch in der Umgebung zu hören. Alles wird still, du spürst die Spannung deiner Hautoberfläche und wirst dir der Auswirkung jeder deiner Handlungen gewahr. Du kommst in einen äußerst achtsamen Kontakt mit dir selbst, mit dem Leben und seinen Möglichkeiten. Dir wird bewusst, dass du bist. Und wer du jetzt am liebsten sein würdest.

Das Neue kommt nicht primär durch Aktivität in die Welt, sondern durch genau diese Form von Rezeptivität und Empfänglichkeit. Wenn wir unseren Angstbotschaften zuhören, geben wir dem Neuen die Chance, sich zu zeigen. Übrigens ist genau dieser Umgang mit Angst eine wesentliche Zutat für agiles Arbeiten. 

Wenn es dir geht wie den meisten Menschen, dann ist dir Angst wohl vor allem in ihrer hemmenden Kraft bekannt. Hier führt sie zur lähmenden Passivität. Zu einer Starre, die jegliche Lebendigkeit auszuschließen scheint. Wenn du auf Angst sozusagen trainiert bist oder dich grundsätzlich verweigerst, Angst zu spüren ist es gut möglich, dass du sie vor allem in dieser Qualität wahrnimmst. 

Das Wissen um ihre Botschaft könnte deinem Verstand dann helfen, seine Blockadehaltung der Angst gegenüber aufzulösen. Doch Achtung: Wir können Gefühle nicht durchdenken, um sie los zu werden. Es braucht das Zusammenspiel aus fühlen, zulassen, einordnen, bewusst machen. 

Vielleicht haben deine Ängstkräfte dich ja zuletzt dazu befähigt, ein neues Onlineangebot für deine Dienstleistung zu schaffen, dein Unternehmen auf Homeoffice-Arbeit umzustellen oder etwas anderes ganz Neues zu wagen. 

Ob wir unsere Gefühle als Kraft oder Hemmnis erleben, hängt stark von unseren emotionalen Prägungen und Überlebensstrategien ab. Selbst Freude kann hemmend wirken, wenn sie fehlplatziert ist. Dann wird sie nämlich zur Illusion. Unser Verstand, der uns vor zu viel Freude warnt („nun mal nicht den Tag vor dem Abend loben…“), weiß das genau und versucht daher gern, uns vor schlimmen Enttäuschungen zu bewahren.  

Wenn wir all unsere Empfindungen sprechen lassen und gleichzeitig unseren Verstand, kann das auf den ersten Blick also ganz schön verwirrend sein. 

Doch wirklicher Wandel braucht den Kontakt mit allem, was ist. Es braucht die Fähigkeit, die eingenommene Richtung, die eigenen Bedürfnisse und Bewertungen immer wieder zu hinterfragen. 

In die Tat umgesetzt, könnte das wie folgt funktionieren:

Ich könnte die Botschaft meiner Freude wahrnehmen, welche mir mitteilt, dass ich dem lang gehegten Bedürfnis nach Ruhe und Zeit für tiefer gehende Recherchen und Bewusstseinsarbeit endlich nachkommen kann. 

Gleichzeitig würdige ich die rationale Stimme in mir, die sich keiner Illusion hingeben mag, denn das möchte ich auch nicht. Mein Verstand bekommt dann den Auftrag, weiterhin wachsam zu sein, während ich mich der Erfüllung meiner jetzt vordergründigen Bedürfnisse widme und mir die Erlaubnis gebe, den freudigen Zustand zu genießen. 

Und was mache ich mit der Scham, die sich als Reaktion auf meine Freude zeigt? Ich weiß um ihre innere Fragestellung: „Wer möchtest du sein?“ Scham hat die Funktion eines moralischen Kompasses, der mir hilft, meinen Zustand und meine Handlungen zu hinterfragen. 

Ist es also angemessen, Freude zu verspüren, während viele andere leiden? Diese Frage kann wohl jeder nur für sich beantworten. 

Ich bin dankbar, dass sich meine Scham meldet, denn sie bringt mich in Kontakt mit meiner Demut und ermöglicht es mir, meine Werte zu überdenken. Mit Gewissheit kann ich sagen, dass es nicht in Ordnung wäre, Freude zu verspüren, weil andere leiden. Doch es widerspricht nicht meinem Wertesystem, in Kontakt mit meinen Ressourcen zu sein, während andere leiden. Im Gegenteil, ich finde das ist sogar viel besser als mitzuleiden. Schließlich bin ich so ein vermutlich besserer Ansprechpartner und viel eher eine Inspiration für andere.

„Wäre etwas mehr Angst denn nicht doch angebracht? Schau dir doch nur die Medienberichte an, die sind doch voll von warnenden Berichten?“, fragt mein Verstand. Er liebt diese Gedankenspiele und ich lasse ihn. Denn ich vertraue der Sprache meiner Intuition, die sich durch andere Gefühle mitteilt.

Wie wäre es, wenn wir diese Art von Dialog mit unseren Intelligenzen sowohl in uns als auch mit anderen pflegen könnten?

Nicht nur in Krisenzeiten, sondern als probates Mittel für einen authentischen Austausch? Danach sehne ich mich. 

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